Rendsburg, Königstraße 5 – Ein Haus mit Geschichte

Daran ist nicht zu zweifeln: Der Stadtteil Neuwerk in Rendsburg hat durch die Sanierung des Hauses Königstraße 5 ein krönendes Schmuckstück erhalten, das im ganzen Land Lob und Anerkennung findet. Und die Stadt hat durch die Nutzung des Gebäudes eine kulturelle Bereicherung erfahren. In dem am 24. Oktober 2007 eröffneten Schifffahrtsarchiv werden Vergangenheit und Gegenwart der Rendsburger Schifffahrt, seiner Reeder und Werften aufgezeigt und gewürdigt. Das Schifffahrtsarchiv/Schifffahrtsmuseum, in dem jetzt auf 550 Quadratmetern ein umfassendes Bild der Schifffahrt seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts gezeigt wird ist eine private Stiftung des Rendsburger Reeders Dr. Jens-Peter Schlüter.

Rendsburgs Lage auf einer Eiderinsel brachte es mit sich, dass die Einwohner der Stadt den Fluss von Anfang an auch als Transportweg nutzten. Auf andere Art waren Ver- und Entsorgung der Insel auch nur schwer zu bewerkstelligen. Waren Flösse, Prahme, Boote und Kähne für die Binnenschifffahrt auf der Eider zunächst ausreichend, wurden später auf zahlreichen Werften in den Dörfern an den Ufern des Flusses auch seetüchtige Schifftypen entwickelt, mit denen man sich dann auch der Küstenfahrt in der Nordsee zuwandte.

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Als besonders gut geeignet für den Verkehr im deutsch / holländischen Wattenmeer erwies sich der „Eiderbulle“, ein rustikales, extra breites Flachbodenschiff, das bei Ebbe problemlos auf Grund fallen konnte, ohne dabei umzukippen. Die bei einem Segelschiff stabilisierende Wirkung des Kiels wurde bei diesem Schiffstyp von Seitenschwertern übernommen, die erst bei Bedarf an der Leeseite des Fahrzeugs ins Wasser gelassen wurden, sonst aber in Höhe der Reeling gehaltert waren.

Wirtschaftlichen Aufschwung brachte der 1784 eröffnete Eiderkanal mit sich. Fortan beteiligten sich Rendsburger Kaufleute auch am Überseehandel. Neben mehreren kleinen Familienbetrieben legten die Kaufleute Eichmann und Wiggers, später Wiggers und Stintzing den Grundstein für Rendsburgs erste große Reederei. Sie wurde bald von den Stintzings, zunächst Vater und Sohn, und dann von dem Sohn Johann Valentin Stintzing alleine betrieben.

Parallel dazu entwickelte sich auch die Reederei des Holzhändlers Johann Paap. Dessen finanzielle Unterstützung aufgrund familiärer Verbindungen ermöglichte seinerzeit dem aus Eckernförde zugereisten Christian Zerssen die Gründung einer Spedition, die sich später zur Firmengruppe Zerssen & Co. entwickelte. Auch die heute noch in Rendsburg existierende Holzhandlung Gehlsen geht in ihrem Ursprung auf Johann Paap zurück.

Das Haus Könistraße 5 an der Einmündung zur Löwenstraße wurde 1697 gebaut. Früher hatte das Gebäude die durchlaufende Hausnummer 512. Mit gutem Auge ist diese Zahl heute noch in dem unteren durchlaufenden Längsbalken des hölzernen Fachwerks auszumachen. An dieser Stelle befand sich ursprünglich auch der Haupteingang des Gebäudes. Er war über eine im Gehweg gelegene Freitreppe zu erreichen. An der linken Seite des Hauses lag seinerzeit noch eine nicht überbaute, offene Durchfahrt zum Hof. An der anderen Seite, im Gehweg der Löwenstraße, lag parallel zur Stirnseite des Hauses der Niedergang zur Kellerwohnung. Wie im Neuwerk üblich, hatte das Gebäude ein Giebeldach ohne Gauben und Fenster. Der Bodenraum diente als Abstell- und Trockenraum, beleuchtet und belüftet durch kleine aufstellbare Dachluken.

Bauherr des Hauses war der „Chirurgus“ Christian Stubbe. Chirurgen hatten damals in der Regel kein Medizinstudium absolviert. Sie waren auch keine Ärzte in dem Sinne, dass sie Krankheiten heilen konnten. Ihr Fachgebiet war die Behandlung offener Wunden, der Aderlass, das Schienen von Knochenbrüchen aber auch das Amputieren von Gliedmaßen. Besonders hierbei ist daran zu erinnern, dass die narkotisierende Wirkung des Äthers seinerzeit noch nicht bekannt war und dass auch Chloroform als Betäubungsmittel noch nicht zur Verfügung stand. Auch Kenntnisse über die Grundregeln der Wundreinigung und der Asepsis waren damals nahezu unbekannt. Ihre Ausbildung hatten die Chirurgen in der Regel bei einem Bader oder Barbier erhalten. Manche von ihnen hatten immerhin Einsicht in die Arzneiwissenschaft erhalten und handelten daher oft auch mit Medikamenten.

Daneben aber gab es auch Ärzte, die ein Medizinstudium absolviert hatten, sich dann der Chirurgie zuwandten und dort anerkennenswerte Leistungen vollbrachten. Sie allerdings wirkten überwiegend an Universitäten und Fürstenhäusern und ließen sich ihr Tun auch fürstlich honorieren. In Rendsburg ist eine solche Koryphäe jedoch nicht bekannt geworden.

Christian Stubbe war ein in Rendsburg geachteter Bürger, einige Jahre gehörte er auch der Stadtverordnetenversammlung an. Über 120 Jahre blieb das Haus in der Königstraße im Besitz der Familie des Bauherrn. Noch für 1819 ist eine Witwe J. C. Stubbe nachgewiesen. Nach ihr ging das Haus an Peter Engeland über. Dessen Sohn Carl betrieb später im linken Teil des Erdgeschosses die Schankwirtschaft „Stadt Schleswig“, dazu auf dem Hof eine Fellhandlung. In der rechten Hälfte verkaufte Emil Piening Colonial-, Eisen- und Kurzwaren. Dieses Geschäft übernahm danach Pienings Sohn Ferdinand und später dann Gustav Engeland, der Sohn des Gastwirts. An den Kaufmann Piening erinnert heute noch die „Piening´sche Villa“ auf dem Grundstück an der Ecke, an der die Königstraße und die Wrangelstraße zusammentreffen.

Vor dem Haus Nr. 5 wurde 1889 eine so genannte Centisemal-Waage in die Fahrbahn der Königstraße eingebaut. Gegen Entgelt konnten dort auf der 2 mal 5 Meter großen „Waagschale“ Fahrzeuge samt Ladung gewogen werden. In der Stadt gab es zwei weitere Waagen dieser Art. Eine lag vor dem städtischen Bauamt, das damals in der Feuerwache untergebracht war. Die Wache befand sich dort, wo heute das „Westbankhaus“ an der Holstenstraße steht. Die andere Waage lag in der Hafenstraße, wie die direkte Zufahrt vom Schloßplatz zum Obereiderhafen damals hieß.

Durch die Architekten Joerges und Wehde wurde das Haus in der Königstraße 1924 umfassend umgebaut. Im Erdgeschoss entstanden zwei moderne Ladengeschäfte. Zwei Jahre später wurde die Hofzufahrt geschlossen und überbaut. 1931 erwarb der Konditormeister Klingsöhr das Haus. Er eröffnete in der linken Erdgeschosshälfte, dort wo sich einst die Gastwirtschaft „Stadt Schleswig“ befand, eine Konditorei und ein Cafe, die sich bald eines regen Zulaufs erfreuten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 1946 unter dem Giebeldach Wohnungen eingebaut. Das Fachwerk des Erdgeschosses, das im Krieg durch in der Nähe nieder gegangene Fliegerbomben schweren Schaden genommen hatte, wurde 1951 ausgebaut und durch ein breites Schaufensterband ersetzt. Anfang der 60er Jahre, nach erneutem Wechsel des Eigentümers, zog „Der Fischbäcker“ in das vorherige „Cafe Klingsöhr“ ein. Aus der Textilhandlung Karl Eggers an der Ecke zur Löwenstraße, die sich nach dem Krieg dort eingerichtet hatte, wurde zunächst das Lebensmittelgeschäft von Karl Scheer bis später dann das renommierte Pelzgeschäft Wachsmann dort einzog.

Die Zeit war an dem inzwischen über 200 Jahre alten Bauwerk nicht spurlos vorübergegangen, als der Rendsburger Reeder Dr. Jens-Peter Schlüter 2005 das Haus Nr. 5 in der Königstraße erwarb. Das alte Gemäuer befand sich in einem doch schon recht erbarmungswürdigen Zustand. Andere Erwerber hätten das Haus wohl abgebrochen. Aber der Wille des neuen Eigentümers, das Haus zu erhalten und der Sachverstand des Architekten Eggert Bock, der den Umbau durch die Baufirma Ditting leitete, machte aus dem Haus ein Objekt, das die Augen der interessierten Passanten anerkennend auf sich zieht.

Autor: Alfred Gudd